Grafik: Scales

©Kerstin Hofmann

Jedes Forschungsprojekt verlangt einen bestimmten Untersuchungsmaßstab (scale): räumliche Abgrenzung, chronologische Einordnung bzw. Mikro-oder Makrohorizonte der Analyse. Welche Erkenntnismöglichkeiten sich eröffnen, hängt nicht zuletzt von den abgesteckten Untersuchungseinheiten und Größenmaßstäben ab. Insofern ist es grundlegend wichtig, das Scaling der eigenen Arbeit zu reflektieren und dabei auch die produktiven Möglichkeiten eines “Wechselspiels der Untersuchungseinstellungen” (Jacques Revel) kennenzulernen.

Dies ist besonders fruchtbar für die Altertumswissenschaften und ihre Fokussierung auf lange Zeitspannen (time-scale), auf longue durées und Transformationen, auf die Herausbildung von large-scale patterns – während doch zugleich die Kleinheit und Begrenztheit der altertumswissenschaftlichen Daten, der (Be)Funde, der Spuren, Scherben und lokalen Relikte im Verhältnis dazu entscheidende Erkenntnisse ermöglichen.

Im Seminar werden “Scales” zunächst in epistemologischer und methodischer Hinsicht angesprochen – Hierarchie der Scales, Reichweite der jeweiligen Maßstäbe, Framing, Klassifikation, Kategorisierungen usw. Die Brisanz der wissenschaftlich-methodischen Skalierung liegt zudem darin, dass zugleich – wie z.B. die “politics of scale” zeigen – auch eine lebensweltliche Wahrnehmung von Einheiten und Maßstäben (“scales of the phenomena”) aufgerufen wird, von der die (historischen) Akteure selbst betroffen sind. Heutzutage sind es Spannungsverhältnisse wie Globalisierung-Lokalisierung, Zentrum-Peripherie, lokale Erfahrung globaler Probleme (Klimawandel, ökologische Probleme, Menschenrechte usw.), die bis in die jeweiligen Forschungseinstellungen hineinwirken. Lassen sich auch in den Altertumswissenschaften die analytischen Mikro-Makro-Untersuchungsmaßstäbe mit einer Erfahrungsebene der Skalierung verknüpfen?

Das Seminar vermittelt einen Überblick über die anregendsten Ansätze nach dem “Ende der großen Erzählungen”: vor allem Mikrogeschichte, mikroanalytische Ansätze in der Soziologie, Ansätze raum-zeitlicher Komprimierung in der Kulturgeographie. Wie verhalten sich dazu dezidiert transnationale Ansätze (Makrosoziologie, Makro- bzw. Weltgeschichte)?

Das Seminar bietet in seinem 1. Teil eine Einführungsvorlesung, in der Analysemaßstäbe in  unterschiedlichen Disziplinen vorgestellt werden. Im 2. Teil folgt eine (disziplinenübergreifende) Diskussion im Anschluss an die angegebenen Texte, um daraus Methodeninstrumente und Anstöße zur Positionierung der eigenen Arbeit zu gewinnen. Im 3. Teil können gezielter evtl. vorher eingereichte Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutiert werden

Um Anmeldung sowie Mitteilung eigener Interessen (Fragen und Themen) per Mail (bachmann-medick@web.de) wird gebeten.

 

LEKTÜRE

  • Sally A. Marston/John Paul Jones III/Keith Woodward: “Human Geography without Scale,” TransInstBrGeogr 30,4 (2005): 416-432
  • Jacques Revel: “Microanalysis and the Construction of the Social,“ in: Jacques Revel/Lynn Hunt (eds.): Histories: French Constructions of the Past. New York 1998. 492-502
  • Überblicksartig, bezogen auf archäologische Forschung: John Robb/Timothy R. Pauketat: “From Moments to Millenia: Theorizing Scale and Change in Human History,“ in: John Robb/Timothy R. Pauketat (eds.): Big Histories, Human Lives: Tackling Problems of Scale in Archaeology. Santa Fe 2013. 3-33.