Journalist in Residence

Das Programm “Journalist in Residence” bei Topoi: Antje Lang-Lendorff beschäftigt sich mit dem Thema “Migration”

 

“Journalist in Residence” – diese Jobbezeichnung klingt für einen Forschungsverbund zunächst ungewöhnlich. Nicht ein Wissenschaftler wird mit diesem Programm gefördert, sondern eben ein Journalist; und bei seiner oder ihrer Tätigkeit geht es nicht um neue Forschungen, sondern um einen Außenblick auf die bestehenden Projekte und um die Vermittlung wissenschaftlicher Arbeit und Ergebnisse an die Gesellschaft. Das Konzept gibt es bereits seit einigen Jahren an Institutionen wie dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung oder dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte. Jeweils für mehrere Monate erhält ein Journalist durch ein Stipendium die Möglichkeit, Forschung aus der Nähe zu betrachten – durch Gespräche mit Wissenschaftlern, den Besuch von Konferenzen, Einblicke in die Projektarbeit oder Besichtigung von Ausgrabungen. Daraus können unmittelbar Reportagen und kleinere Berichte entstehen, es können aber auch Kontakte mit Forscherinnen und Forschern geknüpft und Ideen für spätere journalistische Arbeiten gesammelt werden. Ziel ist nicht zuletzt, ein besseres gegenseitiges Verständnis herzustellen: bei den Forschern für Schwerpunkte und Bedingungen des Wissenschaftsjournalismus,  bei den Journalisten für die Denkweise von Wissenschaftlern.

Portrait-Foto Antje Lang-Lehndorff

Antje Lang-Lendorff ist Topoi Journalist in Residence. Foto: Kathrin Windhorst | Quelle: taz

Mit diesem Ziel schrieb auch Topoi vor zwei Jahren erstmals ein Journalisten-Fellowship aus – und es war in jeder Hinsicht ein Erfolg. Der amerikanische Wissenschaftsjournalist Andrew Curry setzte sich mit den Forschungen des Clusters auseinander, gab aber auch eigene Kenntnisse über den journalistischen Betrieb weiter und vermittelte praktische Hinweise über den Umgang mit Journalisten, etwa in einem Seminar zu “Altertumswissenschaften in den Medien”, das sich insbesondere an jüngere Wissenschaftler richtete. Noch heute ist er regelmäßiger Gast und Gesprächspartner in Topoi und berichtete mehrfach über Projekte des Clusters –  zuletzt in einem Artikel im amerikanischen Magazin “Archaeology” über Forschungen zu skythischen Gräbern (http://www.archaeology.org/issues/220-1607/features/4560-rites-of-the-scythians).

Die zweite Ausschreibung des Fellowships im Frühjahr dieses Jahres erhielt nun einen besonderen Fokus. Es ging um den Themenschwerpunkt “Migration”, den der Cluster im Sommersemester mit der öffentlichen Vortragsreihe zu “Wanderungsbewegungen vom Altertum bis in die Gegenwart” setzt. Die Berliner Journalistin Antje Lang-Lendorff erhielt das Fellowship – auch weil sie einen ganz besonderen Bezug zu dem Thema hat. Lang-Lendorff, studierte Literaturwissenschaftlerin und Politologin, hat seit 2012 als Ressortleiterin und stellvertretende Ressortleiterin der Berlin-Redaktion der taz gearbeitet. Bereits mehrfach hat sie sich im vergangenen Jahr in Reportagen und Berichten mit der Situation der nach Berlin kommenden Flüchtlinge beschäftigt; nun möchte sie im Rahmen des Fellowships ihren Blick von der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Ebene auf historische Beispiele für Wanderungsbewegungen richten. Diese Konstellation ist spannend für alle Beteiligten. Die tägliche journalistische Arbeit in einer Redaktion erlaubt es normalerweise kaum, sich vertiefend und über mehrere Monate mit einem Themenbereich zu beschäftigen; und die Wissenschaftler wiederum sind nur selten derart unmittelbar mit der hohen gesellschaftlichen Relevanz eines von ihnen bearbeiteten Themas konfrontiert. Das ideale Medium, um dieses Potential sichtbar zu machen, ist der Blog, der die Vortragsreihe begleitet (https://migration.hypotheses.org) und für den Antje Lang-Lendorff zahlreiche Beiträge verfasst. Und auch in der regionalen und überregionalen Presse erschienen bereits Interviews, die sie mit Vortragenden der Reihe – mit der Soziologin Saskia Sassen und dem Genetiker Johannes Krause – gehalten hat. Daneben aber – und genau das macht den besonderen Reiz dieses Fellowship aus – beschäftigt sich Lang-Lendorff auch weiter mit höchst aktuellen Aspekten von Migration: Sie vergleicht, wie in deutschen Großstädten langfristig Wohnraum für Flüchtlinge geschaffen wird, und begleitet zudem zwei irakische Familien beim Einleben in ihren neuen Berliner Alltag.

Text: Hauke Ziemssen