Philosophische Wissenschaftstheorie hat sich zum allergrößten Teil ausschließlich mit Naturwissenschaften beschäftigt. Daneben entstand im 19. Jahrhundert eine Reflexionstradition der philologischen und historischen Disziplinen, die insbesondere darauf zielte, die Unterschiede zwischen Natur- und Geisteswissenschaften näher zu bestimmen. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich zudem eine Wissenschaftstheorie der Sozialwissenschaften, die sich aber aus dem Dualismus von “erklärender Naturwissenschaft” und “verstehender Geisteswissenschaft” nie ganz befreien konnte, wenngleich insbesondere im Bereich der Wissenschaften vom Fremden (Ethnologie; Cultural Anthropology) neuartige Problemstellungen und Perspektiven zum Vorschein kamen. Eine besondere Wendung stellte dann die Entstehung einer Wissenschaftssoziologie dar, die in ein nicht leicht zu bestimmendes Konkurrenzverhältnis zur philosophischen Wissenschaftstheorie trat.
Wegen ihrer Unübersichtlichkeit und ihrer ungleichgewichtigen Fokussierung bietet dieser theoretische Hintergrund wenig Handhabe, um Probleme und Potenziale interdisziplinärer Kooperationen in den Blick zu bekommen.
Ziel des Seminars ist es deshalb, im Sinne der Einheit von Forschung und Lehre und ausgehend von einer “Gleichbedeutsamkeitsthese” aller wissenschaftlicher Disziplinen Ansätze zu erarbeiten, die es erlauben, unterschiedliche Typen wissenschaftlichen Arbeitens zueinander ins Verhältnis zu setzen.
In einem ersten Teil werden wir dazu Grundlagentexte aus den genannten Reflexionstraditionen lesen und diskutieren. In einem zweiten Teil sichten wir aktuelle Beiträge zur Problematik der Interdisziplinarität, um dann in einem dritten Teil theoretische Versuche darüber anzustellen, wie sich das Verhältnis unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen zueinander strukturell bestimmen lässt.
Das Seminar richtet sich an fortgeschrittene Studierende aus dem Fach Philosophie und an theoretisch Interessierte aus interdisziplinären Forschungsverbünden.

 

ab Donnerstag, den 21.04.2016